Die Ehe – Himmel oder Hölle ?

Beginn der Ehe

Wir gehen in die Ehe. Das ist ein Abenteuer, das teuer werden kann. Es kann viele Narben hinter sich lassen. Haben wir es gelernt, das Eheschiff zu steuern? Die Antwort lautet: Viele nicht.

Fehlende Ehekultur

In unserer Kultur kommt ein wichtiges Unterrichtsfach zu kurz: Partnerschaft leben. Daß es an einer Streitkultur in der Ehe mangelt, davon zeugen viele Schlagerlieder, Filme und auch die Literatur. Entweder wird eine schöne, heile Welt vorgegaukelt oder es werden zerstörte Partnerschaften vorgeführt.

Der Himmel, Die Verliebtheit

Sich Verlieben heißt: von Liebe zu jemandem in der Weise ergriffen werden, daß man immer an ihn denkt, sich positiv mit ihm in seinen Gedanken beschäftigt, sich Liebe, Glück, Zuwendung und körperliche und seelische Verschmelzung erhofft. Die Verliebtheit bringt beschwingende, lebendige, Glück und Lust verheißende Gefühle mit sich. In der Verliebtheit gerät einem vieles leichter, der Verliebte empfindet die Welt in bunten, lebendigen Farben. Er wird von einer Woge des Glücks getragen. Die Verliebtheit ist ein elementares Gefühl, das den Verliebten befähigt, eine körperliche und seelische Verschmelzung einzugehen. Die Verherrlichung des Partners, die Verliebtheit und die Liebe überwinden viele Hindernisse auf dem Weg zur Ehe. Goethe hat die Verliebtheit und ihre Auswirkungen in ein Gedicht gefaßt:

Maifest

Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!

Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch.

Und Freud und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd, o Sonne,
O Glück, o Lust,

O Lieb, o Liebe,
So golden schön
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn,

Du segnest herrlich
Das frische Feld -
Im Blütendampfe
Die volle Welt!

O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb' ich dich!
Wie blinkt dein Auge,
Wie liebst du mich!

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,

Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud und Mut

Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst. (1)

Ein Leben lang glücklich

In Anzeigen zur goldenen Hochzeit ist manchmal zu lesen: "Unsere Ehe - 50 Jahre Glück." Ich muß sagen, derartige Ehen kenne ich nicht. In diesen Ehen werden Konflikte unter den Tisch gekehrt.

Das Verlassen des Paradieses

Das Verlassen des Paradieses - des Elternhauses - hat zur Folge, daß man Ambivalenzen und Ausbruchsschuld aushalten und überwinden muß. Es gilt, sich im Leben und in der Partnerschaft zu behaupten. Das führt zu Enttäuschungen. Eine beschützende Geborgenheit durch das Elternhaus, von dem viele noch innerlich und auch äußerlich abhängen, weicht der rauhen Wirklichkeit. Viele sind vollkommen unbewußt an Vater oder Mutter gebunden. Die Energie dieser Bindung läßt eine dauerhafte Nähe und Offenheit zum Partner nicht zu, im Gegenteil Zerstörung und Ausbruchsschuld breiten sich aus. Kommen große Erwartungen an den Partner hinzu und werden die Enttäuschungen nicht geäußert, so sind Kontaktverlust, Resignation und Trennung vorprogrammiert.

Wie stellen wir uns die ideale Ehe vor?

Es gibt Harmonie, Liebe, Zärtlichkeit, Geborgenheit, Verständnis auf beiden Seiten. Der eine nimmt den anderen so, wie er ist. Frau und Mann sind sexuell erfüllt und befriedigt. Die Frau strahlt vor Glück und Liebe, der Mann ist ausgeglichen und aufmerksam. Das Paar heiratet, weil ein Kind unterwegs ist. Es freut sich auf das erste Kind, alle sind gesund. Das zweite Kind kommt. Doch hier fängt es bereits oft an zu kriseln. Warum?

Die Geigen fallen aus dem Himmel

Zahlreiche Dichter und Filmregisseure haben Eheszenarien beschrieben, in denen es um Streit, Haß und Liebe geht. Warum fängt der Himmel an, sich zu verdüstern? Warum fallen die Geigen aus dem siebten Himmel herunter und zerschellen am Boden? Viele Paare schaffen es nicht, sich den Himmel ab und zu auf die Erde zu holen. Für sie wird die Ehe zur Hölle. Sie folgen dem Lied: "Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb. Sie konnten einander nicht finden, das Wasser war viel zu tief." Was steht hinter den Enttäuschungen und Zerwürfnissen? Was macht es diesen Menschen unmöglich, zueinander zu finden? Wie sehen die Träume von Ehepaaren aus, die im Streit leben?

Drohende Entzweiung

Es gibt zahlreiche Gründe, die zu einer Trennung führen:

  • Abwertungen, Meckern im unbewußten Auftrag der Eltern.
  • Angst vor Nähe und Verschlungenwerden.
  • Aggressive und sexuelle Bedürfnisse werden nicht adäquat geäußert.
  • Infantile Riesenansprüche.
  • Daraus resultierende Enttäuschung und unterdrückte Wut.
  • Langeweile und Überdruß durch zuviel Nähe und Zweisamkeit.
  • Sexueller Frust: zuwenig oder zuviel Harmonie.
  • Keine gemeinsamen Tätigkeiten.
  • Zuwenig Kontakt nach außen.
  • Zuwenig Aufmerksamkeit, Streicheleinheiten vom Partner.
  • Unterdrückter Ärger.
  • Untreue eines Ehepartners.

Der eigentliche Trennungsgrund liegt nahezu immer darin begründet, daß sich beide Ehepartner auf einem unbewußten, infantilen, oft symbiotischen Niveau befinden. Sie haben sich nicht zu einer erwachsenen, reifen Persönlichkeit entwickelt, nicht von den elterlichen Bindungen und Einschärfungen getrennt. Das unbewußte Zerstörungswerk - die Scheidung - geschieht im Auftrag der elterlichen Bindung. Es fehlt die innere Erlaubnis zur Ehe. Alle anderen Gründe sind vorgeschoben, äußerlich. Der Fluch der Eltern, der Infantilneurose greift unbewußt zu.

Klagen der Ehepartner

Mein Mann geht fremd

Eine 44jährige Lehrerin klagt: "Mein Mann geht fremd. Er tut das schon seit Jahren. Er kommt von dieser Frau nicht los. Mal zieht er ein, mal zieht er aus. Ich mache das nicht mehr mit. Ich halte das nicht mehr aus. Was soll ich tun, Herr Doktor?" Meine Antwort ist: "Regelmäßig hierher kommen, Therapie mitmachen. Fragen Sie Ihren Mann, ob er auch hierher kommt."

Mein Mann klammert

Eine 70jährige Frau sucht wegen Ehekummer meine Praxis auf. Sie sagt: "Ich habe ein Leben lang den Mund gehalten. Ich bin streng erzogen worden. Meine größte Schwäche ist, daß ich mich nicht entschließen und mich nicht wehren kann. Mein Mann klammert. Er ist eifersüchtig. Es gibt deswegen in den letzten Jahren immer Streit. Ich lasse mir nicht mehr alles gefallen. Ich fühle mich traurig darüber. Ich will so nicht weiterleben. Mein Mann hält mich wie eine Sklavin. Ich wünsche mir etwas innere Ruhe und mehr Gelassenheit."

Diese Frau läßt sich zuviel gefallen. Sie wehrt sich nicht. Die Dame nimmt an einer Gruppentherapie teil. Sie lernt, zu sich selbst zu stehen, ihre Enttäuschung und ihren Ärger auch gegenüber ihrem Ehemann zu äußern. Träume und die Gruppe helfen ihr bei dem Erkenntnisprozeß. In ihren ersten Träumen sieht sie sich häufig als junges Mädchen. Nach einem Jahr Therapie tritt sie im Traum als Frau mittleren Alters auf, die in der Gegenwart eines anderen, gleichaltrigen Mannes glücklich ist. Der Traum zeigt der Ehefrau, daß sie ohne Schuldgefühle ihr Durchsetzungsvermögen annimmt. Der Mann versinnbildlicht ihre Männlichkeit, der sie sich liebend annähert. Sie findet ihren Weg.

Wir streiten uns nur noch

Ein 38jähriger Apotheker fürchtet das Ende seiner Partnerschaft: "Ich bin seit 12 Jahren mit meiner Freundin zusammen. Wir haben aber nie zusammen gewohnt. Seit 2 Monaten führen wir eine Apotheke und wohnen auch zusammen. Nun läuft alles schief. Ich streite viel mit ihr. Sie will alles harmonisch. Sie wirft mir eine zu starke Mutterbindung vor. Sie sagt: 'Deine Mutter ist an allem Schuld!' Sie selber hat eine starke Vaterbindung. Sie ist von ihm sehr verwöhnt worden. Neulich habe ich meiner Freundin sogar eine Ohrfeige gegeben. Seitdem droht sie mit Trennung. Ich habe einen Wiederholungstraum. 'Ich träume oft, daß ich noch einmal mein Abitur machen muß.'" Der Apotheker muß seine innere Reifung nachholen.

Mein Mann will keinen Sex

Ein 25jähriger Autoverkäufer leidet unter Angstzuständen. Er wohnt im Anbau seines Elternhauses. Er sieht seine Eltern täglich. Seine Frau, die gleichfalls in die Therapie wegen Span-nungskopfschmerzen kommt, klagt darüber, daß er kaum Sex mit ihr mache. Er finde immer wieder eine Ausrede: "Ach ich bin so müde! Ich habe Sorgen wegen der Firma. Jetzt geht es nicht." Die Ehe wankt, weil sich beide Ehepartner nicht der Ablösungsproblematik vom Elternhaus gestellt haben.

Wir machen Sex und mein Vater tritt ein

In der Therapie erzählt die Ehefrau einen Traum: "Ich liege mit meinem Mann in meinem alten Jugendzimmer im Bett. Wir schlafen miteinander. Plötzlich geht die Tür auf. Meine Eltern stehen im Flur und sehen uns. Ich erstarre in der Bewegung und verharre regungslos. Ich wage nicht, mich zu bewegen. Mein Vater steht im Türrahmen, meine Mutter schaut ihm über die Schulter. Mein Vater sagt etwas Mißbilligendes zu uns. Die ganze Zeit über bleibe ich wie erstarrt liegen. Ich hoffe, daß sie die Tür wieder schließen und dieser Alptraum vorübergeht." Deutung der Ehefrau: "Meine Eltern blockieren meine Sexualität." In der Therapie lernt die Frau, sich gegenüber ihren Eltern abzugrenzen. Sie löst sich von ihnen.

Die Verschmelzungsehe

Die glücklich - harmonische Zweisamkeit gibt es vor allem zu Beginn der Ehe. In der Zeit der hohen Verliebtheit ist das Paar sehr mit sich beschäftigt und pflegt wenig Außenkontakte. Neurotische Hemmungen führen nicht selten zu einer schleichenden Aushöhlung der Ehe durch zuviel Bezogenheit auf das Paar und durch symbiotisches Verhalten.

Äußerlich ist alles perfekt

Ein 50jähriger Hauptschullehrer sucht meine psychiatrische Hilfe, weil er in einer tiefen Krise steckt: "Ich fühle eine tiefe Sinnlosigkeit in der Beziehung. Äußerlich ist alles perfekt. Ich stand neben mir, als ich diese Ehe einging. Das hier ist nicht mein Leben. Es existiert nur eine symbiotische Nähe zu meiner Frau. Meine Kindheit war die Hölle. Ich habe nie alleine gelebt. Ich habe die Schnauze voll. Ich lebte immer mit Frauen zusammen. Das Liebesobjekt meiner Mutter war ich. Sie hat mich terrorisiert. Die Folge des Terrors ist eine Asthmaerkrankung. Das Leben ist für mich nur leere Sinnlosigkeit. Was soll das überhaupt?"
Zu seiner Familiengeschichte berichtet der Lehrer:" Mein Vater ist aus dem Krieg nicht zurückgekehrt. Meine Mutter ist eine Frau, an der ich schwer zu tragen hatte. Meine Mutter und ich sind miteinander tief verbunden und verfeindet. Meine Frau behauptet zwar, sie unterstütze mich, doch in Wirklichkeit aber siegt ihr alltäglicher Egoismus, ihr Interesse an einem schönen, sinnlich ausgefüllten Leben mit mir, an der egozentrischen Inanspruchnahme meiner Person für dieses außengelenkte komfortable Leben, über ihre Fähigkeit zur Förderung meiner ehrgeizigen Pläne. Mein Lesen, Schreiben und Orgelspielen waren für sie immer die ersten außerehelichen Geliebten und Rivalinnen, gegen die sie sich zur Wehr setzen zu müssen glaubte. Sie ist schon manche Kompromisse eingegangen. Eine innere Zustimmung zu diesen 'Rivalinnen' kann sie aber nicht geben. Dies ist einer der Hintergründe, weshalb ich daran denke, meine Familie zu verlassen und eine eigene Wohnung zu nehmen.

Meine Frau ist am liebsten vierundzwanzig Stunden am Tag mit mir zusammen. Alles, was sie schön findet und tun möchte, will sie mit mir tun. Sie behauptet, in der Ehe tue man das so. Meiner Ansicht nach ist dieses Verhalten symbiotisch. Sie will alles mit mir tun. Ihre Unselbständigkeit nimmt zum Teil kuriose Formen an. Sie ist bis heute nicht mal in der Lage, etwas allein mit ihrem Sohn zu unternehmen. Sie duldet aber auch nicht, daß ich allein mit meinem Sohn Radfahre oder Computer spiele. Sie duldet prinzipiell nicht, daß ich etwas allein außerhalb des Hauses unternehme. z. B. daß ich Freunde, die ich mir allein aussuche, besuche. Alles, was ich allein mache, kostet Kämpfe, und sei es nur eine Fahrt in die Stadt, um in Buchläden nach den neuesten Buchangeboten zu sehen. Der psychische Streß, den sie verursacht, ist so groß, daß ich im Sinne einer Vermeidungshaltung inzwischen eine Mauer im Kopf habe. Mir fällt oft schon gar nicht mehr ein, was ich eigentlich will. Ein Zustand, den ich nicht mehr dulden will. Bis heute ist meine Frau nicht in der Lage, mich allein in einen Urlaub fahren zu lassen, ohne einen ehelichen Budenzauber anzufangen. Im gemeinsamen Urlaub klebt sie an mir. Sie kann nichts allein machen oder mich allein machen lassen. Ich liebe es z. B., eine Stadt schlendernd, allein, einen Notizblock in der Tasche, ohne genaue Zielvorstellung zu erobern.

Ein zentrales Problem sind meine Kontakte zu anderen Menschen, besonders zu denen, die sie nicht kennt. Meine Frau hat sogar Schwierigkeiten zu akzeptieren, daß ich überhaupt Menschen brauche, denen ich allein begegnen will, die sie nicht kennt, die ich sie manchmal auch gar nicht kennenlernen lassen will.

Im Zusammenhang hiermit steht natürlich ihr Kontrollbedürfnis über jede Minute meines Tages. Sie will stets genau wissen, was ich tun will und getan habe. Stößt sie dabei auf meinen Widerstand, spielt sie 'Opfer', die 'Betrogene'. Auf der anderen Seite tut sie auch nichts allein. Sie geht nicht allein zu Freunden. Eine wirkliche Freundin hat sie nicht. Ihr Bedürfnis nach Gesprächen konzentriert sich ausschließlich auf mich. Wenn sie allein ist, weiß sie nicht, was sie tun soll. Sie kann nicht einmal allein schlafen. Ohne mich neben sich im Ehebett überfällt sie eine qualvolle Schlaflosigkeit.

Dies ist einer der Gründe, weshalb ich das Ehebett verlassen habe und auf die Couch in meinem Arbeitsraum gezogen bin. Ich empfinde ihre Schlaflosigkeit, für die sie mich stumm anklagt, als eine Form der Erpressung. Alleinsein und Freizeit lösen bei meiner Frau Abwehr, Protest, Angst und Anklammerung aus. Sie weiß allein nichts mit sich anzufangen. Sie muß alles, was sie tut, für jemanden, am liebsten für mich, tun. Es ist keineswegs so, daß es mir grundsätzlich mißfällt, mit meiner Frau zusammenzusein. Im Gegenteil: was sie für mich und die Familie tut, ist kreativ, sinnlich, großartig.

Ich selber muß natürlich ebenfalls meine Neigung, mich von ihrer Symbiosesucht hineinziehen zu lassen, aufgeben, auch wenn das Streß für mich bedeutet. Ich gehe dem gern aus dem Wege, passe mich an, verziehe mich in mein Zimmer, in die innere Emigration, die ich als Kind so gut gelernt habe.
Schlimm ist für mich, daß auf diese Weise meine Frau für mich in eine Mutterrolle hineingewachsen ist. Das provoziert und provozierte meine Ausbruchsneigung in Richtung Affären mit anderen Frauen, ohne daß ich grundsätzlich geneigt war, die Ehe zu verlassen. Heute ist das anders. Ich glaube, ich kann auch allein leben, ohne in eine destruktive Einsamkeit zu fallen."

Der Lehrer hat - symbolisch gesehen - seine Mutter geheiratet. Er kann sich beiden Frauen gegenüber nicht abgrenzen. Er kann nicht Nein sagen. In der Therapie lernen er und seine Frau, eigene Wege zu gehen ohne Schuldgefühle. In der Getrenntheit finden sie wieder zueinander.

Die Streitehe

Immer wenn aus heiterem Himmel ein Streit aufzieht, stecken unbewußte Mechanismen dahinter, damit das Ehepaar sich entzweit. Streit schafft zwar Nähe, er ist jedoch auf Dauer zerstörerisch. Anstatt einen Urlaub oder Weihnachten zu genießen, wird ein Streit vom Zaun gebrochen. Beide wissen nicht, worum es geht, denn der innere Sinn dieses Streites bleibt ihnen unbewußt. Der Fluch des Elternhauses: "Kind komm zurück, werd´ nicht erwachsen!" wirkt sich auch hier aus. Der Fluch der Bindung ist zerstörerisch, umfassend und deswegen so tückisch, weil er in voller Tarnung, nämlich unbewußt, seine klebrigen Fäden spinnt. So dient der Ehekrach dem Abstand. Besonders wenn sie vor oder nach einem schönen gemeinsamen Erlebnis auftreten.

 

Liebe und Macht

Wer sich und den anderen liebt,
hat die Macht zu kämpfen.
Doch ein Machtkampf ist ihm fremd.


Streiten schafft Nähe. Streiten zerstört Nähe. Streiten verbindet und entzweit. Weniges ist so sehr mit Verboten, schlechtem Gewissen und Schuldgefühlen belegt wie Streit. Vor allem wenn er deftig wird. Gewitter reinigt die Luft. Schweigen vergiftet das Paar. Schweigen ist schlimmer als Streiten. Streit befreit, löst Spannung. Im Streit springt der Panzer des Schweigens entzwei. Doch Streit ohne Liebe ist wie ein Messer, das - im Haß geführt - zerstört. Oft ist die Wut ist zu Beginn der Persönlichkeitsentwicklung heftig. Die Wut weicht der ruhigen Abgrenzung, je nach Temperament und Grad der Infantilität.

Formen des Streits

Dauerstreit vergiftet wie die Pest die Ehe. Die emotionale Pest hat ihren Geburtsort im Haus der Eltern. Dauerstreit vermiest einem das Leben. Mit der beidseitigen Reifung der Persönlichkeit nimmt der Streit ab.

Den Balken im eigenen Auge

Den Balken sieht man immer im Auge des anderen und nicht im eigenen. Warum ist diese Erkenntnis so wichtig? Alles, was man am anderen bemeckert und an ihm bekämpft, trifft für einen selber zu. Das Bekämpfen der negativen Eigenschaft beim Gegenüber gilt spiegelbildlich für einen selber. Hierzu ein Beispiel: "Ich werfe meinem Mann vor, daß er zuviel an mir herummeckert. Das ärgert mich schon lange und fällt mir immer wieder auf. Dabei kritisiere ich ihn selber oft." Eine andere Frau: "Ich werfe meinem Freund oft vor, daß er so garstig und aggressiv gegenüber Freunden ist. Dabei bin ich selber genauso." Sätze wie: "Das werde ich dir schon zeigen!", "Nie hast du mich lieb gehabt", "Du wirst dich nie bessern", "Du willst nicht tanzen", "Der Sex ist nicht gut mit dir!", "Mein Mann ist so wenig zärtlich!" spiegeln oft die eigene Unfähigkeit, die bemängelten Eigenschaften bei sich selbst zuzulassen.

Das Thema Scheidung

In einigen Ehen ist es üblich, daß einer der beiden mit Scheidung droht. Ein wiederholter Vorwurf ist wenig glaubwürdig, er verletzt den anderen nur und bringt ihn noch mehr in Rage. Der Satz: "Ich lasse mich scheiden!" zerstört die Ehe weiter. Der Gedanke allein ist destruktiv, tötet die Liebe und das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Es wird dem Auftrag der Eltern, zu ihnen zurückzukehren, mit diesem Satz stattgegeben. Wird die Scheidung vollzogen, so bleibt man trotz Trennung oft auf Lebenszeit zutiefst miteinander verbunden, zumal wenn Kinder da sind. Manchmal jedoch ist eine vollzogene Trennung ein heilsamer Schock für den Zurückgelassenen. Er kommt zur Besinnung, zeigt Reue und Einsicht. Daher gibt es ein Zurück.

Die Treue

"Du sollst nicht ehebrechen". Das 6. Gebot bedarf weiterer Erläuterungen und Hilfestellungen von Seiten der Seelenheilkunde. Die Treue ist ein hohes Gut. Leider wird sie in vielen Ehen nicht eingehalten, weil es den Partnern an Reife mangelt und es immer weniger Vorbilder gibt. Es ist leichter, alles stehen zu lassen und weiterzugehen, anstatt zu kämpfen. Das gilt aber nicht für den typischen Angstneurotiker, der sich anklammert und größte Angst hat, sich von seinem Liebesobjekt zu lösen und allein auf die Welt zuzugehen.

Nicht erfüllter Kinderwunsch bei Treulosigkeit

Eine 26jährige Bibliothekarin klagt über Kinderlosigkeit. Die Ursache liegt in ihrem Fremdgehen. Sie und ihr Mann sind verzweifelt und traurig. Sie läßt mehrere Fertilitätsuntersuchungen über sich ergehen. Doch organisch ist sie gesund. Ich sage ihr: "Lassen Sie das Fremdgehen!" Kurz darauf wird sie schwanger.

Kämpfen oder aufgeben?

Es ist kein Generalkrieg zu führen; es ist vielmehr wichtig, die einzelnen Ärgernisse zu benennen und eins nach dem anderen mit taktischem Geschick bei sich und beim Partner zu verändern. Es ist ein Kampf der Geschlechter, sprich der Elternhäuser, gegeneinander. Ziel jeden Ehestreites und ungelösten Konfliktes ist es, die Ehe auf Dauer zu zerstören. Immer wieder ist zu hören: "Ich habe alles getan, ich habe alles versucht. Es hat keinen Sinn. Ich lasse mich scheiden." Selten ist wirklich alles versucht worden. Das Ehepaar steckt vielmehr fest in der Krise, in der Hölle. Man verletzt sich nur noch und diskutiert viel, ohne die Hintergründe der drohenden Entzweiung zu erkennen.

Hexe und Zeus

Die Frau soll auch mal die Hexe ausleben und der Mann den donnernden Zeus. Dabei kann man auch mal erheblich überziehen, um dem anderen die Maske der Grandiosität vom Gesicht zu reißen. Es geht darum, den ehezerstörenden Fluch der Eltern: "Du bleibst für immer unser Kind!", zu brechen und die Eltern nicht siegen zu lassen. Aus taktischen Gründen kann man die Dinge bis auf die Spitze treiben, damit der andere einsichtsfähig wird. Es geht in der Partnerschaft darum, Grenzen neu zu stecken, sich aufeinander zu zu entwickeln. Das funktioniert nicht nur mit Liebe, Harmonie, sondern vor allem mit der Fähigkeit, sich zu streiten, zu verletzen, wo es hilfreich ist im Dienst für die Ehe. Es ist dabei wichtig, die Liebe - das alles verbindende Band - nicht erkalten zu lassen. Die Liebe ist der Lebensgrund der Partnerschaft, auf dem die Ehe ruht.

Liebling, schau mal!

Wenn eine Frau ihren Mann stets korrigiert und etwas an ihm herumzumäkeln hat, sollte er als erstes sie darum bitten, es sein zu lassen. Das wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht tun. Dann kann er dazu sagen: "Liebling, du hast einen Fleck auf deinem Pullover, schau mal." Natürlich ist dort kein Fleck, der Liebling fühlt sich ertappt und beschämt. Ihm ist es natürlich unangenehm, korrigiert zu werden. Er spürt, daß der kategorische Imperativ auch im ehelichen Miteinander gilt. Das Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn ist steigerungsfähig. Die Tabu- und Schamgrenzen des anderen sind im Einzelfall zu überschreiten, damit er endlich aus dem elterlichen Nebel tritt. Das Unbewußte weiß, daß die Maxime der Griechen: " Midhèn agãn!" - Niemals zuviel - auch in der Ehe zählt. Doch dem heftigen Kampf sollten nicht allzu starke Schuldgefühle folgen. Ziel eines aufbauenden Streits ist die Angst vor Nähe zu überwinden, den Kontakt wieder herzustellen. Beide müssen wissen, daß sie fremdgesteuert handeln, unbewußt die Partnerschaft zerstören, sobald sie den Streit siegen lassen und keine innere Änderung erfolgt.

Der Zweifel

Der Zweifel am Anderen oder an der eigenen Liebe will die Ehe zerstören. Er ist das mütterliche oder väterliche Gift, das langsam und immer wieder aus dem Hirn träufelt und die Partnerschaft vergiftet. Den Zweifel in sich zu töten und zu überwinden, ist ein wichtiges Ziel der Selbsterziehung oder der Therapie.

Nachgeben und vergessen

In vielen Ehen gehört es dazu, daß sich einer der Partner beleidigt zurückzieht. Er spricht nicht mehr, er ist verblockt, an ihn ist kein Herankommen. Das Maulen entspringt dem Gekränktsein. In manchen Ehen dauert dieser Zustand bis zu mehreren Tagen, Wochen, ganz selten auch bis zu mehreren Jahren. Das Maulen ist eine infantile Verhaltensweise. Wer sich im Maulen auskennt, weiß, daß es wie durch einen Kipphebel schlagartig beseitigt werden kann. Tritt nämlich zum Beispiel jemand drittes in den Kreis hinzu, verhält sich der Maulende plötzlich den Fremden gegenüber normal. Beim Schweigen geht es um den Kampf mit früheren Elternfiguren. Der Gekränkte zeigt sich grandios im Schweigen. Er will die Symbiose mit Mutter oder Vater aufrechterhalten.

Auch das Vergessen will gelernt sein, das Nachgeben, das Verzeihen und das Lieben. Spätestens nach 12 Stunden soll man sich wieder vertragen haben, da sonst dauernder, innerer Kontaktabbruch droht. Besser ist es, wenn man nach einer Minute oder gleich verzeiht.

Verliebtheit und Fremdgehen

Das Sexuelle wird beim Fremdgehen deswegen plötzlich voll erlebt, weil die Angst vor Nähe und Bindung wegfällt. Das Fremdgehen wird als erfrischend empfunden. Dahinter steckt oft nichts anderes als die fehlende Erlaubnis, beim Ehepartner Nähe und Liebe zu fühlen, die Unverbindlichkeit und das Ausleben der Sexualität ohne Nähe, Angst und Ausbruchsschuld.

Eheliche Langeweile

Der Wechsel zwischen Nähe und Distanz ist wichtig. Langeweile ist der Ehe Tod. Das gilt sowohl für das Sexuelle als auch für das tägliche Leben miteinander. Die Partner sollten nicht zu sehr aufeinander hocken, jeder sollte seinen Interessen nachgehen. Ausgehen auch unter der Woche, wenig Fernsehen, so bleibt eine Ehe lebend allein dadurch, daß man sich nicht anödet und sich zu sehr auf die Nerven geht. Zuwenig Sex erzeugt Einsamkeit und Fremdgehgedanken. Das Minimum an Sex ist 1 x pro Woche.

Reden ist Silber

Außerdem sollte man nicht zuviel miteinander reden. Viel Reden heißt: Kontakt vermeiden. Probleme beim Namen nennen; sagen, was Sache ist, was man will und dann ist auch Schluß. Der Partner kann sich mit den Wünschen oder Forderungen auseinandersetzen. Die Wünsche zu zerreden, ist kontraproduktiv.

Was tun gegen Ehefrust?

Ist der Frust nicht mehr allein zu bewältigen, trägt man Trennungsgedanken in sich, sollte man den richtigen Psychotherapeuten aufsuchen. Es ist von erheblicher Bedeutung, ob der Psychotherapeut eine Ehe befürwortet oder ob er selber in seiner Ehe oder Partnerschaft gestrandet ist. Es besteht die Gefahr, daß Trennungsabsichten des Patienten von dem Therapeuten zu sehr unterstützt werden und von ihm gutgeheißen werden. Der Therapeut sollte sich in der Partner- und Familientherapie auskennen.

Alles sagen?

Gift ist das Hinunterschlucken von Ärger oder Kränkung. Die Angst, vom anderen mit der Kritik in die Ecke der Lächerlichkeit gestellt zu werden, und die eigenen Schuldgefühle verhindern, daß man offen miteinander umgeht. Es wiederholen sich die Verletzungen aus der Kindheit und die Angst, von Vater oder Mutter erneut bestraft oder gekränkt zu werden. Im Laufe der Zeit nehmen die Verletzungen in einer lebendigen Ehe ab, da beide Partner aufeinander zugehen, Sicherheit und Vertrauen gewinnen. Man sollte aber auch mal was für sich behalten können, besonders dann, wenn das Mitteilen um des Verletzenwillens geschieht und die Partnerschaft zerstört, anstatt zu fördern.

Das Erzählen der Träume

Träume zu erzählen, ermöglicht, den Kontakt zu behalten zum Partner und zu sich selbst. Eine Partnerschaft leidet oft darunter, daß die Partner nicht wissen, welche unbewußten Konflikte sie haben und ihnen das Leben schwer machen. So läßt sich im Träume Erinnern, Erzählen und im gegenseitigen Deuten das gemeinsame Frühstück interessant gestalten.

Die gelungene Ehe

Die Partnerschaft muß ein Leben lang gestaltet werden, damit sie lebendig bleibt. Themen gibt es genug und das Ziel einer jeden Partnerschaft ist: Nähe erleben und positive Gefühle erleben im Beisein des anderen bei der Möglichkeit, sich von ihm zu verabschieden und eigene Wege zu gehen. Für eine Stunde oder zwei, für eine Woche.

Über lange Zeit ist die Ehe für den lebendigen Menschen ein Ding zwischen Himmel und Hölle. Mit zunehmender Reife gerät sie in ruhigere und harmonische Fahrwasser. Streit und Liebe sind der Einsatz für eine gute Ehe. Die Hölle muß manch einer durchschreiten, damit er auf Erden zufrieden wird. Wenn nicht Krankheit, psychosomatische Störung oder Neurose zum Unglück in der Ehe werden sollen, sind Auseinandersetzung und Liebe vonnöten. Liebe heißt einander zugetan sein, auch verzeihen. Aber nicht alles. Der Spruch in Korinther: "Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei, die Liebe ist aber die größte unter ihnen", gilt vor allem für eine glückliche Ehe.

Tips für die Ehe

  • Geh außer Haus.
  • Hab Zeit für dich.
  • Hab Zeit für deine Frau.
  • Hab Zeit für deine Kinder.
  • Sei treu.
  • Lade Freunde ein.
  • Mache Sex.
  • Pflege deine Hobbys.
  • Jede Kränkung ist zurückzunehmen.
  • Gib Komplimente.
  • Streite.
  • Zeige deine Liebe.
  • Laß Nähe zu.

Beachte die Streichel-Regeln

Streichle dich selbst.
Verweigere Streicheln.
Nimm Streicheln an.
Streichle selbst andere.
Frage um Streicheln, wenn Du es brauchst.

Streicheln heißt: Alles, was einem guttut.

Literatur

  1. Goethe, J. W. v.: In: Wiese, B. v.: Deutsche Gedichte, August Bagel Verlag, Düsseldorf (1965), S. 178-179

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