Psychotherapie des älteren Menschen

Viele haben gegenüber Psychotherapie bei Älteren Vorurteile: "Alte kann man nicht ändern", "Im Alter nimmt der Starrsinn zu" oder aber "Wer altet, der kaltet". Wie oft höre ich von meinen jungen Patienten: "Meine Eltern kann ich doch nicht mehr ändern. Da kann man nichts machen." Die Sprichwörter und Vorurteile über die Wandlungsfähigkeit älterer Menschen beruhen vor allem auf den Erfahrungen, die Kinder mit ihren Eltern machen. Gegen die Macht und die Erziehungsfehler der Eltern läßt sich von Seiten der Kinder wenig ausrichten. Ohnmächtig und hilflos begegnen sie den Erziehungsmaßnahmen von Menschen, die ihnen als alt erscheinen. Kindheitserinnerungen prägen also das Bild von dem Starrsinn Älterer. Als älter zu bezeichnen ist der Mensch ab dem 60. Lebensjahr. Das hohe Lebensalter beginnt mit 75 Jahren.

Freud äußert sich zur Indikation einer psychotherapeutischen Behandlung bei älteren Menschen kritisch: "Das Alter der Kranken spielt bei der Auswahl zur psychoanalytischen Behandlung insofern eine Rolle, als bei Personen nahe an oder über 50 Jahre einerseits die Plastizität der seelischen Vorgänge zu fehlen pflegt, auf welche die Therapie rechnet - alte Leute sind nicht mehr erziehbar - und als andererseits das Material, welches Durchzuarbeiten ist, die Behandlung ins Unabsehbare verlängert" (2). Die Meinung, daß sich die Psychoanalyse bis vor kurzem nicht um das Problem der Psychotherapie des älteren Menschen gekümmert habe, läßt aber die eingehende Auseinandersetzung C.G. Jungs mit diesem Thema in seinem Werk außer Betracht (3).

Typische Konfliktsituationen im Alter

Welche typischen Konflikte und Aufgaben des älteren Menschen lassen sich aufzeigen?

  1. Der Auszug der Kinder aus dem Elternhaus.
  2. Die Pensionierung und das Abschiednehmen von der Vorstellung, ein immer aktiver und bewunderter Mensch zu sein.
  3. Bisher nicht ausgelebte Wünsche und Träume.
  4. Der Verlust, Tod von Freunden, Verwandten oder dem Ehepartner.

Depression und Angstzustände als Reaktion auf den Auszug der Kinder

Sorgen um einen 35jährigen Sohn

Ein Ehepaar sucht gemeinsam meine Praxis auf. Die Frau bietet ein klagendes, ängstlich-depressives Bild mit Befürchtungen und Sorgen um ihren alkoholabhängigen Sohn. Ihre Gedanken kreisen um die Gesundheit ihres Sohnes, den sie am liebsten bei sich zu Hause hat. Dort wähnt sie ihn sicher vor Alkoholmißbrauch, dort kann sie für ihn sorgen und Entscheidungen für ihn treffen. Im Gegensatz zu seiner Frau ist der Ehemann bereit, sich den eigenen Konflikten zu stellen und sich in Gruppentherapie zu begeben.

In der Gruppe gelingt es ihm, sich in die Lage der jüngeren, aber auch einiger älterer Patienten hineinzuversetzen. Ihm werden seine Fehler in der Erziehung seiner Kinder bewußt, wie folgender Bericht über die Bindung an seine Familie zeigt:

Kürzlich erschien eine Ausgabe des "Spiegels" mit der Titelseite: Kinder, unser Glück? Obwohl der Artikel diese Frage unter etwas anderen Aspekten untersuchte, rotiert diese Frage jetzt immer wieder in meinem Kopf. Jetzt, wo ich unzufrieden bin mit mir, mit meinem Leben.

Als ich dies Leben in einer Partnerschaft unmittelbar nach Kriegsende begann, war es nicht eine Sekunde lang eine Frage: Sind Kinder unser Glück? Sie waren mein Glück. So ist es auch geblieben, fast vierzig Jahre lang, trotz aller Schwierigkeiten und Nöte des Alltags. Zwei Söhne sind herangewachsen, sind ihren Weg gegangen. Und ich habe auch losgelassen, wenn's vielleicht manchmal auch verdammt schwerfiel. Und jetzt dies Problem: Der eine Sohn suchtkrank, immer wieder um Hilfe ringend. Der andere gesund, aber verständnislos; er könnte seinen Bruder immer nur zusammenschlagen. Dazwischen wir, meine Frau und ich, die Eltern - immer noch. Und da bröckelt es gewaltig in dem vermeintlich so festen Gemäuer meiner Familienburg. Gespräch, Gedankenaustausch, persönliche Kontakte werden immer weniger, werden erschreckend unbefriedigend. Ich will das nicht! Aber ich kann es nicht ändern, Alkoholismus, die Familienkrankheit. Meine Gedanken kreisen hierbei im Moment auch nicht so sehr um die Suchterkrankung meines älteren Sohnes. Mich beunruhigt darüber hinaus die schmerzliche Frage, was denn eigentlich heute noch übrig ist von meinen 'stillen Erwartungen', die mein Leben jahrzehntelang unbewußt bestimmt haben? Jahrzehntelang habe ich die Entwicklung meiner Söhne im Schmalfilm festgehalten, habe hunderte von Dias gesammelt, geordnet, sortiert, Fotoalben von ihrer Jugend angelegt. Längst vergilbte Fotos, Urkunden und Briefe unserer Vorfahren aus dem vorigen Jahrhundert mühsam zusammengetragen, archiviert, um daraus so etwas wie eine Familienchronik zu basteln, damit meine Söhne und Enkelkinder vielleicht mal etwas mehr in der Hand haben als ein zerknittertes Foto aus längst vergangenen Tagen, wenn sie mal anfangen, über ihre Herkunft nachzudenken. Jetzt sind die Leitz-Ordner zwar prall mit Dokumenten gefüllt, die Video-Bänder zur Familiengeschichte stapeln sich, aber meine Söhne haben keinen Draht mehr zu einander. Wir haben keinen Draht mehr zueinander. Nüchterne Realität? Kinder, unser Glück? Trümmerhaufen Familie? Ich weiß, daß ich unzufrieden bin mit dieser Situation. Und ich weiß nicht, wie ich das ändern kann. Kann ich meine Kinder einfach so sausen lassen? Sic eunt fata hominum. Aber muß das so sein? In meinem Kopf ist's ziemlich wirr."

Der Rückblick des 65jährigen Vaters bewegt uns, weil er so ehrlich ist und das Leben dieser Familie schicksalhaft gelaufen ist. Gescheitert sind Eltern und Söhne an der Familie als Festung. Die Familienbande sind ihren Mitgliedern zum Verhängnis geworden, sie haben sich darin verstrickt: die Mutter in ein depressiv gefärbtes, angstneurotisches Syndrom, der Vater in depressive Verstimmungen, der jüngere Sohn in die Alkoholkrankheit, während der Ältere feindselige Phantasien gegen seine Eltern und vor allem seinen Bruder hegt. Der Spruch: "Wir sind und bleiben ein einig Band von Brüdern" hat sie krankgemacht. Aufgabe der Therapie wird es sein, dem Vater mehr Selbständigkeit und Abgrenzungsvermögen zu vermitteln.

Der Vater träumt einige Sitzungen später: "Ich bin im Kinderzimmer meines Sohnes. Ich halte ein Baby auf meinem Arm. Plötzlich erscheint mein Arzt. Ich drehe mich um, wobei ich mich so ungeschickt drehe, daß der Kleine aus meinem Arm auf den Boden fällt. Ich bin entsetzt, weil er reglos daliegt und aus dem Kopf blutet. Mein Hausarzt kann nur noch den Tod feststellen. Ich bin wie vor den Kopf geschlagen, wache mit einem furchtbaren Gefühl auf." Das Baby, das aus dem Arm gleitet, steht für seinen Sohn, den er "fallenlassen muß", aber auch für seine anklammernde, unselbständige Frau und für sein eigenes Infantilverhalten. Sein Arzt - der Psychiater- wird ihm helfend und stützend den Weg zeigen.

Nicht verwirklichte Wünsche und Träume

Mir ist der Lebensweg eines 70jährigen Arztes bekannt, der nach seiner Pensionierung glaubt, seine Ehefrau verlassen zu müssen, um mit seiner Jugendliebe ein Verhältnis zu beginnen. Nicht endenwollende Schuldgefühle, eine heftige Angstneurose und depressive Verstimmungen sind die Folgen seines unreifen Entschlusses, einem Jugendtraum nachzugehen. Die Problematik des alten Mannes, des Senex amans, der in Verhältnissen zu jüngeren Frauen sein vergebliches Glück sucht, ist in der Literatur vielfach beschrieben worden (1).

Auch von anderen Illusionen und Phantasien gilt es, Abschied zu nehmen oder sie endlich auszuleben. Bisher nicht verwirklichte Begabungen können nun verwirklicht werden, wenn es nicht zu spät dazu ist. Das Alter fordert von manchem Bescheidung, da Gebrechen sich melden. Diese stellen oft eine narzißtische Kränkung dar. Eine reife Lösung besteht im Annehmen der Krankheit.

Die Einsamkeit des Alters

Einsame alte Menschen haben nicht gelernt, Kontakte neu zu gestalten. In anderen Familien entsteht Kontaktmangel dadurch, daß eines der Mitglieder unbewußt dazu auserwählt wurde, Vater oder Mutter bis zum Tod aufopferungsvoll zu pflegen. Häufig sind in der heutigen Zeit bei dem Fehlen einer Großfamilie Sohn oder Tochter mit der Pflege überfordert. Das Ausnutzen von Treue und die Manipulation mit Schuldgefühlen führen auf Seiten der Kinder zu Erschöpfungssyndromen, nicht selten zu Angstsymptomen. Wenn sich die Kinder gegen den übermäßigen Anspruch ihrer Eltern wehren, drohen diese mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder Suizid. Das Ausnutzen der Hilfsbereitschaft und der Loyalität geschieht oft subtil. Der Außenwelt erscheint die helfende Person als das Sinnbild von Güte und Opferbereitschaft. Die fehlende Selbstbestimmung, die zerstörte Identität dieser Menschen erkennt sie jedoch selten. Die Alten müssen lernen, sich aus ihrer Isolation zu befreien und beizeiten Strukturen aufzubauen, die derartige Ausbeutungsverhältnisse verhindern und Kontakte zu Jungen und Gleichaltrigen bieten. Hierzu gehören vor allem architektonische Strukturen, die ein Wohnung mit Jung und Alt ermöglichen, auch gemeinsam genutzte Räume.

Reaktionen des Älteren auf unbewältigte Konfliktsituationen

a) Psychosomatik der Trauerreaktion

Es gibt neben der Depressivität eine Fülle von psychosomatischen Symptomen, die eine pathologische Trauerreaktion signalisieren: Kopfschmerzen, Schwindel, Arthritis, rheumatoide Zustände, Appetitverlust, Panikzustände, Tremor, Sehtrübungen, Exzeme, Schluckschwierigkeiten, Erbrechen, Herzklopfen, Schmerzen in der Brust, Atemknappheit, häufige Infektionskrankheiten, allgemeine Schmerzempfindungen und Muskelschmerzen (4).

b) Angstneurotische Symptome

Nicht jeder Mensch hat es geschafft, mit dem Problem der Abhängigkeit und Selbständigkeit fertig zu werden. Infolgedessen finden sich auch bei alten Menschen Angstsymptome. Sie erkranken auf Grund zu großer Abhängigkeit von einem nahen Menschen an einer Angstneurose oder an Angstäquivalenten. Nicht selten wird die Angstsymptomatik durch eine schwere Krankheit oder den Tod eines Verwandten oder Freundes ausgelöst.

Psychotherapie

Die Psychotherapie des älteren Menschen richtet sich nach den Bedingungen des Einzelfalls, die durch eine sorgfältige biographische Anamnese erkundet werden. Während der eine es lernen muß, sich zu bescheiden und die Heimsuchungen des Alters nicht als narzißtische Kränkung aufzufassen, kann der andere die Möglichkeiten des Rentenalters nützen und seine bisherigen orale und aggressiven Gehemmtheiten überwinden.

Fehlende Lebensfreude

Eine 64jährige Ehefrau berichtet: "Der linke Arm und das linke Bein machen mir Schwierigkeiten. Ich bin schon gestolpert. Ich habe nicht mehr so viel Kraft im Bein. Ich fühle mich unsicher. Seit ungefähr 8 Jahren habe ich ein Ohrpfeifen links. Manchmal tut mir mein linker Ellenbogen weh. Der linke Arm spannt manchmal so eigenartig. Es ist wie ein Druckgefühl dort."

Die Patientin sucht meine neurologisch-psychiatrische Praxis wegen der Beinschwäche auf. Nach Ablauf der stationären neurologischen Behandlung, zu der ich ihr geraten hatte, fällt mir ihre deutlich gebesserte Stimmungslage auf, so daß ich sie fragte, ob es nicht auch noch andere Gründe und Probleme in ihrem persönlichen Lebensbereich gäbe, über die wir noch nicht gesprochen hätten. Daraufhin öffnet sich die Patientin:

"Seelisch bin ich nicht so gut drauf. Das geht schon über zwei Jahre. Ich gehe nicht gerne unter Menschen. Ich verkrieche mich eher. Ich möchte es gerne ändern. Ich habe auch ein Völlegefühl im Bauch, das mir sehr unangenehm ist. Ich fühle mich so unsicher. Ich mag nicht schwimmen gehen, weil meine Beine nicht mehr so gut aussehen. Mein Mann sagt mir: 'Du bist doch keine 20 mehr.' Ich friere auch viel. Ich denke schon, daß es auch seelisch sein kann. Meine Kinder und meine Schwägerin haben mir zugeraten, zu einem Psychiater zu gehen. Meine Schwägerin ist selber Neurologin.

Mein Mann ist seit zwei Jahren zu Hause. Seitdem hat sich mein Leben verändert. Ich war immer schon schüchtern gewesen. Aber jetzt ist alles noch schlimmer geworden. Wir gehen spazieren, nachmittags fahren wir in die Stadt und laufen da noch mal. Abends lesen wir, schauen Fernsehen und hören Musik. Wir machen viel zusammen. Am Wochenende machen wir nichts anderes. Mein Mann möchte mehr machen, er möchte reisen und mehr raus, aber ich bremse. Ich werde dann krank. Ich kann dann die Nacht nicht schlafen, wenn wir wegwollen. Das ist immer schon so gewesen. Wir sehen wenig Leute. Kontakte nach außen haben wir nicht. Meine Söhne rufen jede Woche an. Ich möchte fröhlicher und ausgeglichener sein. Ich möchte nicht immer gleich in Tränen ausbrechen, wenn etwas auf mich zukommt. Wenn etwas nicht nach meinem Willen geht, bin ich schnell beleidigt und kann tagelang maulen. Das ist in den letzten Jahren stärker in den Vordergrund getreten, weil mein Mann öfter zu Hause ist und es öfter Probleme mit ihm gibt. Ich bin viel zu streng zu mir und zu anderen."

Die Patientin hat ihren Vater als autoritär, streng und distanziert erlebt. Durchsetzungsvermögen und aggressive Regungen gegenüber ihrem Vater verdrängte sie aus Angst vor dessen Strafe und auch körperlichen Schlägen. Die beschützende und überfürsorgliche Haltung ihrer Mutter trug zu der Hemmung ihrer aggressiven und expansiven Impulse bei. Ihre Mutter übertrug besitzergreifend ihre Liebe auf die Tochter, so daß diese sich ebenfalls nicht genügend abgrenzen und aggressiv behaupten konnte. Die Autonomieentwicklung wurde bei der Patientin durch beide Elternteile erheblich behindert.

Auslösende Situation ist die Pensionierung ihres Ehemannes gewesen, die für sie in mehrfacher Hinsicht eine Veränderung ihrer Lebensumstände bedeutet. Während sie früher eine Rechtfertigung dafür gehabt hat, sich vorwiegend um ihren Mann, die Kinder und den Haushalt zu kümmern, versucht ihr Ehemann nach der Pensionierung ein aktives und abwechslungsreiches Ruhestandsleben zu führen. Die Patientin kann bei ihrem strengen Über-Ich die Wünsche ihres Mannes nicht erfüllen. Während sie von ihm und ihren Söhnen aufgefordert wird, sich mehr an Lebensfreude zu gönnen, reagiert sie mit depressiven Verstimmungen und Angst. Befreiung von ihrem verbietenden, sich selbst herabsetzenden Über-Ich, das zu einer erheblichen Einengung ihres Lebensraums geführt hat, möchte sie einerseits erreichen, andererseits ist dieser Weg mit depressiven Verstimmungen und Schuldgefühlen und einer Somatisierung in Form der Gehschwäche verbunden. Durch das stete Zusammensein beider Eheleute kommt es im täglichen Leben zu gehäuftem Streit, auf den die Patientin mit aggressivem Schweigen, depressiven Verstimmungen und Selbstvorwürfen reagiert.

Die Patientin wird in der Therapie ihr verbietendes Gewissen allmählich abbauen, da es ihr und ihrem Ehemann zu einer krankmachenden Last geworden ist.

Die Auseinandersetzung mit dem Tod

Das Alter stellt auch die Aufgabe, Weisheit und Muße zu finden, Ruhe und Würde auszustrahlen und den Tod als Friedensstifter und Erlöser anzunehmen. Die innere Auseinandersetzung mit dem Tod und dessen Annahme sind ein schwieriges Kapitel auf dem Weg zur Würde des Alters. Berichte über Pensionäre, welche die Hektik ihres bisherigen Lebenslaufes nicht aufgeben können, sondern den Jüngeren keinen Zutritt zu ihren Ämtern lassen, rufen weniger Bewunderung als Verwunderung und Ärger bei den Jüngeren hervor.

Schwierigkeiten von Ärzten im Umgang mit älteren Menschen

Haben Ärzte und Psychotherapeuten diese Konflikte nicht genügend bei sich selbst bearbeitet, kann es auf Grund von negativen Übertragungsgefühlen zu Behandlungsschwierigkeiten mit Alten kommen, die nicht mehr die allmächtigen Objekte von früher darstellen, sondern hilfsbedürftige Menschen mit dem Anspruch auf einen angemessenen Umgang, der weder Verherrlichung, noch unbewußte Abwertung fordert (5). "Ältere kann man nicht ändern". Die Ohnmacht gegenüber den Elternfiguren aus der eigenen Kindheit spiegelt sich in derartigen resignativen Behauptungen über die Änderungsfähigkeit älterer Menschen. Vielen Erwachsenen ist es auf Grund ihrer unbewältigten neurotischen aggressiven Gehemmtheit nicht möglich, sich gegenüber älteren Menschen durchzusetzen, da Alte mit einem Aggressionstabu belegt sind, das aus der früheren Kindheit stammt. Auch die Angst vor dem eigenen Tod und die Schwierigkeit, das Alter als eine spezifische Phase des eigenen Lebens anzunehmen, spielt bei der Ablehnung der Psychotherapie älterer Menschen eine Rolle.

Prognose der Psychotherapie des alten Menschen

"Wer rastet der rostet", dies Sprichwort gilt gerade für das Alter. Muße und Aktivität sollten wie zu jeder Lebensphase des Menschen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

Es gibt Alte, insbesondere mit einer chronifizierten hypochondrisch gefärbten Angstneurose, die gänzlich therapieunfähig sind. Da es früher eine psychotherapeutische Behandlung der Angstneurose nicht gab, entwickelte sich eine unheilbare Chronifizierung der Angstsymptomatik. Mir sind Patienten mit einer Angstsymptomatik bekannt, die noch im hohen Alter bei ihrer Mutter wohnen. Die Prognose richtet sich nicht nach dem Alter des Menschen. Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und Freiheit von konfliktbedingten neurotischen Symptomen sind Eigenschaften, auf die gerade alte Menschen nach einem arbeitsreichen und mühevollen einen Anspruch haben. Ein hoher Leidensdruck, die positive Übertragung zum Psychotherapeuten und die Hoffnung auf Besserung sprechen auch beim alten Menschen für eine günstige Prognose einer neurotischen oder psychosomatischen Erkrankung.

Literatur

  1. Frenzel, E: Motive der Weltliteratur. Kröner Verlag, Stuttgart (1977), S. 1-11
  2. Freud, S. in: Dührssen, A.: Analytische Psychotherapie in Theorie, Praxis und Ergebnissen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen (1972), S. 127
  3. Jung, C.G.: Die Dynamik des Unbewußten. Walter-Verlag, Olten und Freiburg im Breisgau (1971), S. 425-442
  4. Parkes, C. M.: Vereinsamung. Die Lebenskrise bei Partnerverlust. Rowohlt Verlag, Reinbek, (1974)
  5. Radebold, H.: Die psychosomatische Sicht alternder Patienten. In: Psychosomatische Medizin. Adler, R., Herrmann, J.M., Köhle, K., Schonecke, O.W., von Uexküll, Th., Wesiack, W. (Hrsg.), Urban & Schwarzenberg, München, Wien, Baltimore (1986), S. 1079-1102

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