Tinnitus

Tinnitus kann psychotherapeutisch oder verhaltenstherapeutisch erfolgreich behandelt werden (1). Hier hilft Streßbewältigung. Der Tinnituspatient überfordert sich entweder am Computer oder im Beruf. Er kennt keine Zeitgrenzen, er ist maßlos. Kommt ein zunehmendes Alter hinzu, kann das Innenohr Opfer dieser Überforderung werden. Es fängt an, Warntöne von sich zu geben, welche die Medizin Tinnitus nennt. Ein Hörverlust kann hinzukommen. Auch innerer Streß, Trauma, Entwicklungsdruck, Entwicklungsdepression können im Laufe des Lebens Ohrgeräusche hervorrufen. Wenn diese nicht durch Entspannungstechniken, durch Herabsetzen der Überforderungshaltung besänftigt werden, kann der Tinnitus chronisch werden. Davon spricht man ab einem halben Jahr. Hierzu ein Beispiel: Ein 60jähriger Lehrer kommt in meine Praxis: Er berichtet, daß er seit einer Woche unter einem Piepen im rechten Ohr leide. Er habe Angst, daß es chronisch werden könne und daß er einen Tinnitus habe. Vor der Klinik und Infusionsbehandlung fürchte er sich jedoch. Er habe ins Internet geschaut und dort gesehen, daß es unterschiedliche Therapieansätze gäbe. Er wolle wissen, was ich ihm als Psychotherapeut und Neurologe empfehlen würde. Er habe in der letzten Zeit täglich bis zu 12 Stunden gearbeitet. Das Werkeln am Computer an seinen Urlaubsfilmen habe ihm Freude gebracht, aber das sei auch ein furchtbarer Streß für ihn. Tagsüber die Schule, abends der Urlaubsfilm. Früher mit Super 8 sei das ganz einfach gewesen, die moderne Technik mit Full HD und AVCHD sei nervenraubend. Hinzu komme, daß er dazu neige, sich zu verausgaben bis zum "Geht nicht mehr". Er sei völlig fertig, wenn er ins Bett gehe. Nach einem langen Abend habe er ein Piepen im Ohr gespürt. Ansonsten habe er keine Probleme.

Ich rate ihm zu einer Entspannungstechnik in der Form des Gedichteaufsagens, wie ich es auch auf meiner Internetseite beschrieben habe. Auch die Wiederholung der Worte: "Ich bin ganz ruhig und entspannt." und dieses innerlich mit mittlerer konzentrativer Kraft vor sich herzusagen, sei hilfreich. Das möge er täglich dreimal fünf Minuten vor sich hersagen. Zum Einschlafen solle er solange die Gedichte und die Entspannungsübungen vor sich wiederholen, bis er eingeschlafen sei. Außerdem empfehle ich ihm, das Leben mehr zu genießen, so auch den Sex mit seiner Frau bewußt als Lust und Entspannung zu erleben.

Nach einer Woche kommt der Lehrer zurück. Er berichtet, daß es ihm gutgehe. Der Tinnitus sei nach zwei Tagen vollkommen verschwunden. "Ich passe jetzt besser auf mich auf. Das soll mir ein Warnzeichen sein. Ich bin keine 20 mehr. Ich werde auf meine dünner werdenden Nerven Rücksicht nehmen."

 

Literatur

1. Büttner, U., Goebel, G.: Tinnitus. In: Brandt, T., Dichgans, J., Diener, H.C. (Hrsg.): Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 4. Aufl. (2003), S. 172-177


Autor: Dr. med. Holger Bertrand Flöttmann

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