Angst - Ursprung und Überwindung

 

 

Der infantile Mann

Die Tiefenpsychologin v. Franz schreibt über symbiotisches Verhalten beim Mann: "Die beiden typischen Störungen des Mannes, der einen ausgeprägten Mutterkomplex hat, sind nach Jung Homosexualität und Don-Juanismus. Im letzteren Fall wird in jeder Frau das Bild der Mutter gesucht - das Bild der vollkommenen, fehlerlosen Frau, die dem Mann alles gibt. Der in seiner Mutter versunkene Mann sucht nach einer Göttin, und jedes Mal muß er in der Beziehung zu einer Frau entdecken, dass sie nur ein gewöhnliches menschliches Wesen ist. Nach dem ersten sexuellen Kontakt mit ihr verschwindet die ganze Faszination, und er wendet sich enttäuscht ab, um sein Idealbild auf eine andere Frau zu projizieren. Er sehnt sich ständig nach der mütterlichen Frau, die ihn in ihre Arme schließt und alle seine Bedürfnisse befriedigt. Das Ganze ist häufig von romantischem, jünglingshaften Verhalten begleitet (1)."

"Am meisten fürchtet sich ein solcher Mann davor, an etwas gebunden zu sein, denn er ist auf einer ihm unbewußten Ebene an seine Mutter gebunden. Er hat schreckliche Angst davor, festgenagelt zu werden, vollständig in Raum und Zeit einzutreten und das menschliche Wesen zu sein, aus der es kein Entfliehen geben könnte. Deshalb ist jede momentane Situation die Hölle. Symbolisch drückt sich diese Ungebundenheit und Realitätsferne des Ewigen Jünglings im Fasziniertsein von gefährlichen Sportarten wie Drachenfliegen, Slacklining oder Bergsteigen aus: so hoch wie möglich möchte er kommen, also weg von der Mutter, von der Erde und vom gewöhnlichen Leben. " (S. 10).

"Die positive Eigenschaft solcher junger Männer ist eine Art von Spiritualität, die durch ihren relativ engen Kontakt zum kollektiven Unbewussten bedingt ist. Sie besitzen den Charme der Jugend und die anregenden Eigenschaften eines Glases Champagner. Ewig junge Männer sind meistens sehr angenehme Gesprächspartner, weil sie die Zuhörer durch interessante Themen und Spritzigkeit beleben. Sie stellen unkonventionelle, tiefe Fragen und steuern direkt auf die Wahrheit zu, immer auf der Suche nach echter Religiosität,.." (S. 12)

"Dieser Archetypus des Kindgottes ist von größter Verbreitung..." (S. 40)

"Das Kindmotiv stellt ein Stück Spontaneität dar, und das große Problem - in jedem Fall ist es ein individuelles ethisches Problem - besteht darin zu entscheiden, ob es nun ein infantiler Schatten ist, der erzogen werden muß, oder etwas Kreatives, das sich auf eine zukünftige Lebensqualität hinbewegt. Das Kind ist immer beides, hinter uns und uns voraus. Hinter uns ist es der infantile Schatten, den wir zurücklassen, und eine Kindlichkeit, die geopfert werden muß - das, was uns immer zurückzieht in Infantilität und Abhängigkeit, so dass wir träge und verspielt sind, und vor den Problemen, der Verantwortung und vor dem Leben ausweichen." (S. 41) Die symbiotisch bedingte Passivität und die Sehnsucht zur Mutter

"Das ist das Problem, das Ihnen der ewig infantile Mann gewöhnlich präsentiert. Er wird sagen, dass er weiß, dass alles verkehrt läuft, weil er faul ist, aber er kann nicht wollen, nicht faul zu sein! Er wird sagen, dass das vielleicht seine Neurose ist: seine Unfähigkeit, seine Trägheit zu bekämpfen." (S. 43)

 

"Solange die Katastrophe nicht stattgefunden hat, ist es besser, die optimistische Haltung einzunehmen: eine hoffnungsvolle Atmosphäre zu schaffen versuchen und an die Möglichkeit eines bestimmten Ausmaßes an freiem Willen zu glauben. Erfahrungsgemäß gibt es viele Fälle, in denen die Leute sich plötzlich doch entschließen konnten, ihre Neurose zu bekämpfen und sich herauszuwinden." (S.44)

"Die größte Schwierigkeit, die uns aus unserer Kindheit anhängt, ist der Sack voller Illusionen, den wir ins Erwachsenenleben mitschleppen." (S. 46)

"…., und eine tiefere Analyse zeigt, dass die Infantilen doch noch völlig in Kindheitsillusionen gefangen bleiben: ihre kindliche Sehnsucht nach einer liebevollen Mutter oder nach Glück ist trotzdem da, aber in unterdrücktem Zustand." (S.47)

"Im praktischen Leben des Mannes, der sich noch nicht vom inneren Bild des Ewigen Jünglings gelöst hat, beobachten wir die Tendenz, gutgläubig, naiv und idealistisch zu sein. Deshalb zieht er automatisch Leute an, die ihn enttäuschen und betrügen." (S. 52)

"In unserem Land ist es z.B. der Militärdienst, der den jungen Männern hilft, ihren Mutterkomplex zu überwinden.
Für junge Männer aus den einfacheren Bevölkerungsschichten funktioniert der Militärdienst in großem Ausmaß immer noch, wie die männlichen Initiationsriten bei primitiven Stämmen" (S.55) dazu dienen, aus Jünglingen Männer zu machen.

"Man kann sagen, dass alle Arten von demütigen, nicht individuellen und kollektiven Anpassungen gegen den Mutterkomplex helfen, nämlich, wie schon erwähnt: seine Arbeit tun, in den Militärdienst gehen, sich wie jeder andere zu verhalten versuchen, die für den Mutterkomplex-Mann so typische Vorstellung aufgeben, etwas Besonderes zu sein, jemand, der all diese niedrigen Anpassungsversuche nicht nötig hat." (S. 55)

"Wir sehen also, wie sich der Animus der Mutter auf diese ersten Äußerungen der Männlichkeit stürzt, etwa mit schmutzigen Schuhen hereinzukommen, zu spucken, schlimme Ausdrücke zu gebrauchen, oder die Phase, in welcher Jungen abfällig über Frauen sprechen, als ob die Frauen weiß Gott was wären - sie werden verabscheut, weil man von ihnen angezogen ist. Bei so etwas handelt es sich um primitive - man könnte sogar sagen affenartige - Manifestationen des Mannestums. Eine gewisse Wildheit ist für einen Mann natürlich, auch ein gewisser Mangel an Anpassung, und muss man solchem Verhalten manchmal auch entgegentreten, so sollte es doch erlaubt sein, ein gewisses Maß davon auszuleben."(S. 156)

"Aus diesem Grund zerstört eine Mutter, die ihren Sohn 'gefressen' hat, einen Großteil solcher Äußerungen seines Mannestums als schmutzig, wild und aggressiv. Aber diese Dinge bestärken den jungen Mann in seinem Gefühl, lebendig zu sein."

"Dieses Gefühl von Vitalität ist bei einem gesunden jungen Menschen typisch. Man ist lebendig und unternehmungslustig, und das ist es, was die verschlingende Mutter am meisten haßt. Sie haßt es an ihrem Sohn, weil dies der Lebensimpuls ist, der ihn von ihr wegbringen wird. Er wird sie vergessen. Deshalb findet man bei einem solchen Sohn gewöhnlich diesen Gorilla-Schatten oder einen großen starken Boxer oder einen Verbrecher, der die abgespaltene Männlichkeit repräsentiert und der das zu schwache Ich kompensiert." (S. 157)

"Das Gefängnis symbolisiert also die negative Seite des Mutterkomplexes (in dem er tatsächlich die ganze Zeit sitzt), aber prospektiv gesehen wäre es gerade das, was er braucht, denn es ist nötig, dass er ins Gefängnis gesteckt wird - ins Gefängnis der Realität.

Aber wohin er sich auch wendet, überall lauert das Gefängnis, und er ist ständig auf der Flucht. Im Grunde hat er nur die Wahl zwischen zwei Gefängnissen: zwischen dem seiner Neurose und dem der Realität. Er ist also gefangen zwischen dem Teufel und dem tiefen Meer. Das ist sein Schicksal, und es ist das Schicksal des Ewig Jungen Mannes überhaupt."(S. 168)

"Dann wird ein solcher Mann, statt ein brillanter Schauspieler zu sein, plötzlich zu einem zynischen, verbitterten alten Mann."(S. 170)

"Natürlich ist beim Don Juan die Partnerin, die in den verschiedenen Frauen gesucht wird, die Mutter, so dass es ganz zu rechtfertigen ist, eine Affäre zu haben und wieder herauszugehen, weil es ja wieder der Mutterkomplex ist. Das ist eine wundervolle Entschuldigung für die Flucht! Und es stimmt, dass diese ersten Faszinationen vom Mutterkomplex - d.h. vom Spiel der Anima - herrühren, und sie erweisen sich tatsächlich als Illusion." (S. 197)

Spiegelbildlich gilt dieser Text
auch für die infantile mutter- oder vatergebundene,
mit einem Schicksalsspruch belegte Frau.

Viele ewig junge Männer neigen zur symbiotisch bedingten Passivität, zum Schmarotzertum. Sie lieben das Schnäppchen, schlafen bis in die Puppen, sind artig, verweichlicht, betteln oder studieren ewig, weil sie die Abschlußprüfung als inneren Reifungsschritt fürchten. Sie sind nicht selten suchtartig entglitten, trinken Alkohol, rauchen, sind süchtig nach Arbeit, nach Anerkennung oder nach Sex. Sie brechen Beziehungen ab, der Mutter zuliebe, auch Therapien.
Ordnung ist dem Ewigen Jüngling zuwider, genau da, wo sie für ihn wichtig ist: im Aufbau eines moralischen Gerüstes. Äußerlich feste Strukturen wie Ehe, die 10 Gebote, Gesetze erleichtern ihm das Befolgen der inneren Gebote. Regeln fürchtet er als Reifungsschritte wie der Teufel das Weihwasser.
Literatur

1. Franz, M. L.: Der ewige Jüngling: Der Puer aeternus und der kreative Genius im Erwachsenen, Kösel Verlag, München (1987)

 

Der Ewige Jüngling in der Neuzeit

Der Ewige Junge Mann ist narzißtisch, selbstverliebt, er mault, wenn Reifung droht. Er benimmt sich in vielem wie ein Kind, auch in einer knabenhaft hohen Stimme. Er begeht Ehebruch, in ein kollektives, infantiles Glück getaucht. Die hohe Scheidungsziffer in Deutschland spricht Bände(2).

Aus dem ewig jungen Mann wird unversehens der alte Mann, der verliebte Greis, der sich immer noch mit jungen Frauen umgibt, entgegen aller Vernunft und seiner natürlichen Entwicklung, die dem Ende zustrebt. Das Ziel, die Entwicklung der göttlichen Liebe, vereint mit seiner Frau in Ehe im Kreise seiner Enkel, zufrieden und sinnerfüllt hat der Ewig junge Mann nicht erreicht.

Beispiele aus der Literatur gibt es zahlreiche, Fälle in der psychotherapeutischen Praxis sind enorm im Steigen begriffen, weil alles auf eine kollektive, regressive Mutterherrschaft innen und außen verweist.

Literatur

2. Statistisches Bundesamt: www.destatis.de


Angst - Ursprung und Überwindung

 

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